Dr. Karl-Hartmut Müller
* 8. Mai 1940 † 9.Januar.2021
In Zwönitz geboren, wächst Karl-Hartmut Müller in den harten Kriegs- und Nachkriegsjahren im Erzgebirge auf. Kam die Sprache darauf, spürte man an der fast
patriotischen Heimatverbundenheit, dass ihm diese Wurzeln in besonderer Weise wichtig waren. Zum Naturschutz fand er als Student in den 1960iger Jahren in Dresden. Beim ausschließlich
ehrenamtlich organisierten Naturschutz der DDR war der selbstbewusste Streiter sehr willkommen. Die Freizeitpflege von Streuobstwiesen oder das Bewachen eines Seeadlerhorstes galten als positive,
Gruppen bildende Maßnahmen, solange sie unpolitisch blieben. Mitunter gab es aber auch Einzelaktionen gegen Verstöße, die offensichtlich zum öffentlich propagierten Umweltschutz im krassen
Widerspruch standen, wie z.B. gegen die Verfüllung der Kunathschen Lehmgrube in Prohlis mit Müll oder gegen die Sperrung des Wanderweges im Nöthnitzgrund durch den Laubenbau eines privilegierten
SED-Genossen. Das Engagement als „DDR-Naturschützer“ blieb aber aus Zeitgründen und auch vom Horizont her oft begrenzt.
Erst als Karl-Hartmut Müller den damaligen Bezirksnaturschutzbeauftragten Heinz Kubasch kennenlernte, wurde ihm klar, dass Naturschutz mehr als ein Freizeithobby einzelner launiger Fachspezialisten ist und nachhaltiger Erfolg sich nur einstellt, wenn mit guter Fachkenntnis am richtigen Ort zur richtigen Zeit sensibel genau das Richtige getan wird. Dies entsprach seiner wissenschaftlichen Ader. Fortan widmete er neben seiner beruflichen Tätigkeit bald seine gesamte Freizeit kompromisslos diesem Anliegen. Sein Naturschutz fing bei der Geologie des Bodens an und endete bei der Biotopentstehung durch die menschliche Nutzung in unserer Kulturlandschaft. Im wissenschaftlichen Arbeiten und Denken trainiert, unterstellte er auch seine Naturschutzarbeit einer strukturierten effektiven Arbeitsweise, die wenig Zeit für lauschige schöngeistige Betrachtung ließ. Langatmige Erörterungen oder Halbwissen waren ihm Geschwätz, das er vermied und entlarvte. Hatte er dagegen das Gefühl, dass Bemühungen zielgerichtet waren, konnte er selbst kleine Erfolge überschwänglich loben. Als begeisterter Kraftsportler war er dann auch unermüdlicher Motor beim Schleppen von Baumstämmen, Pflanzlochgraben im Lehm des Erzgebirgshanges oder in Gummistiefeln beim Teichentschlammen mit der Schaufel. Sein Getrieben Sein und seine Rastlosigkeit konnte auf manchen befremdlich wirken. Besonders in den letzten Jahren bedauerte er immer wieder, dass ihm hier ein „Gen“ fehlte.
In der Wendezeit gehörte er zu den Kosmopoliten des Naturschutzes in Dresden. Er erkannte die herausragende Biotopverbundfunktion des oberen Elbtals in der
europäischen Ost-West-Ausdehnung. Als kompetenter Spezialist der Herpetologie waren seine Schwerpunkte der Flächennutzungsplan und der Kampf gegen den Landhunger der Spekulanten und die
fortschreitende Versiegelung. Viele seiner Vorträge widmeten sich dem Auwaldschutz. Von 1990 bis 2013 war er Kreisnaturschutzbeauftragter der Stadt Dresden. Als die Landeshauptstadt Mitte der
1990iger Jahre daran ging, neben Energieversorgung und Wohnungen auch noch die verbliebenen Grünflächen für Spottpreise an Privatinvestoren zu veräußern, gründete er im NABU Deutschland den
Verein „Naturbewahrung Dresden e.V.“, mit dem Ziel, solche Flächen zu erwerben, die von ihrer Ausstattung oder von ihrer Lage her für den Naturschutz im Dresdner Raum von Bedeutung sind oder es
werden könnten.
Als der Freistaat Sachsen die in Gesamtdeutschland seit den 1950iger Jahren einheitlich geltende Baumschutzsatzung ändert und Nadelgehölze, Birken, Obstbäume und
Pappeln nicht mehr als schützenswert deklariert, startet er mit wenigen Gleichgesinnten eine Initiative zur Rettung der in Sachsen vom Aussterben bedrohten heimischen Schwarzpappel. Der Verein
legte eine eigene Baumschule an, in der hunderte Bäume mit lokalem Herkunftsnachweis gezogen und standortgerecht ausgebracht wurden. Die Rücknahme der naturschutzfeindlichen Entscheidung durch
den Freistaat hat er leider nicht mehr erlebt, dafür aber den Eigentumsübergang der „Kellerwiese“ am Hohen Stein an den Verein „Naturbewahrung Dresden“. Damit befindet sich nun nahezu der gesamte
Grünraum der Südkante des Plauenschen Grundes von der Heidenschanze bis zur Bienertmühle in öffentlicher oder gemeinnütziger Hand und kann als wichtiges Naturschutzareal und zugleich öffentliche
Erholungsfläche der Dresdner Nachwelt erhalten bleiben.
Als seine Krankheit immer deutlicher wurde, hat der international renommierte Wissenschaftler entschieden, seine letzte wissenschaftliche Arbeit nicht mehr zu Ende
zu führen und die verbleibende Zeit ausschließlich seinen Naturschutzzielen zu widmen. So pflanzte er unter anderem noch drei Wochen vor seinem Tod im Elbbereich 30 Schwarzpappeln. Am 19.01.2021
wurde Dr. Karl-Hartmut Müller im engsten Familienkreis in seiner Heimat beigesetzt. Die Corona bedingten Kontaktbeschränkungen entsprachen dabei in eigentümlicher Weise seiner Abneigung gegen
jegliche Art elitären Hervorhebens der Person, die zu seinem spartanischen Lebensstil so passte. Bei der Fortführung seiner Naturschutzziele werden wir ihn schmerzlich vermissen und uns dennoch
immer wieder daran erinnern, was wir seinem unnachahmlichen aufopferungsvollen Einsatz zu danken haben.